Al Dente

2022_Bewegtbilder_AD

Warum die Dauer von Bewegtbildern eine, aber nicht die entscheidende Rolle spielt.

Das Cannes Corporate & TV Awards Festival ist das größte seiner Art mit den meisten Einreichungen aus den meisten Ländern weltweit. Die Bewertung zahlreicher Filme aus allen möglichen Ländern ist sicherlich nicht immer das reinste Vergnügen, aber man erhält wertvolle Impulse und Einblicke in unterschiedliches Storytelling und vor allem auch unterschiedliche Filmformate und -längen. Manche Beiträge haben eine Dauer von zehn Minuten oder mehr. Vor allem solche, die für die sozialen Medien produziert werden, orientieren sich hingegen eher an der 10-Sekunden-Grenze. Was global zutrifft, ist im deutschsprachigen Europa bei praktisch allen Filmproduktionen ein zentrales Thema: Welche Filmlänge brauchen wir eigentlich?

 

DIE ANTWORT LAUTET:

Kommt drauf an. Und zwar vornehmlich auf drei Kriterien: Zweck, Plattform und Story. Hinter dem kleinen Wörtchen „Zweck“ steckt nicht mehr und nicht weniger als die gesamte Strategie des Unternehmens. Denn Kommunikationsmaßnahmen müssen immer einem übergeordneten Zweck folgen, hinter dem letztlich die Vision und die Mission des Unternehmens erkennbar sein muss. Ein Video zur Mitarbeiterbindung oder für das Recruiting steht immer im Zusammenhang mit der Unternehmenskultur, auch wenn es humorvoll oder originell umgesetzt wird. Unser Filmbeispiel: GRIMME.

Was auch immer der Zweck eines Bewegtbildes sein mag, er hat letztlich immer Einfluss auf das Format und die Länge. Soll das Unternehmen als Ganzes verstanden werden? Muss ein komplexer Sachverhalt plakativ erklärt werden für Kunden oder Partner? Will man junge Menschen mit neuen Sehgewohnheiten für die eigene Marke interessieren? Das Motiv für den Film bestimmt Content und Umsetzung. Die Plattform schließt sich nahtlos dem Zweck des Films an. Aber hier gibt es die größte Bewegung.

Klar, Mitarbeiterveranstaltungen, Kundenevents oder Messen gibt es weiterhin. Großformatige Filme sind nach wie vor en vogue. Fette Bilder, Animationen, und (siehe unten) ungewöhnliches Storytelling funktionieren bei jedem von uns, der gerne mal im Kino einen Film anguckt und schon allein deshalb visuell verwöhnt ist. Hier lohnt sich eine kurze Exkursion in die Technik. Zum einen in die sogenannte Aspect Ratio, das technische Seitenverhältnis. Klingt kompliziert, ist es aber nicht, weil Begriffe wie HD oder sogar 4K mittlerweile allgemein verstanden werden. Die Auflösung, oder anders gesagt die Bildqualität, haben nämlich sehr viel mit dem Seitenverhältnis und der Abspielplattform zu tun. Einen massiven Impact haben aber vor allem die digitalen Plattformen und hier insbesondere die sozialen Netzwerke.

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Studien über die niedrigere Aufmerksamkeitsspanne der Generation Z gibt es noch und nöcher, man wird den jungen Menschen damit aber nicht gerecht. Es ist die schiere Anzahl an Bildern und Filmen, die auf diese Gruppe vermutlich am stärksten eingeprasselt. Dazu kommen immer wieder neue Plattformen, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und schlichtweg angesagt sind. TikTok ist im Augenblick hier der, verzeihen Sie den Ausdruck, „heißeste Scheiß“.

IN ZAHLEN:

Rund eine Milliarde Menschen haben einen Instagram-Account, die Hälfte davon nutzt die Plattform täglich. Über 50 Prozent aller amerikanischen Unternehmen bieten bereits Content auf Instagram an, insgesamt gibt es rund 25 Millionen Unternehmensprofile weltweit. Die User selbst sind längst nicht mehr nur Teenager. Das Durchschnittsalter wächst jährlich. 60,4 Prozent der Instagrammer sind zwischen 18 und 24 Jahre alt (Quelle: statista). Das Recruitingalter für die nächste Arbeitsgeneration. Diese Zahlen mögen teilweise auch vom Instagram-Mutterhaus Facebook selbst stammen, sind aber durchaus plausibel. B2B-Unternehmen im deutschsprachigen Europa beginnen gerade erst, Instagram für sich zu entdecken.

Das bedeutet: Neuer Content in neuen Formaten. Siemens macht’s vor mit der erfolgreichen #MINTfluencer-Kampagne für Auszubildende. Beispielsweise gibt es für die sogenannten Instagram-Stories Längenvorgaben von derzeit 15 Sekunden maximal, während auf Instagram-TV Filme mit einer Länge von bis zu einer Stunde hochgeladen werden können. Ein weiterer spannender Kanal für B2B-Unternehmen ist schon seit längerem Linkedln. Hier zahlt die genaue Zielgruppenansprache vor allem für B2B-Unternehmen sofort ein. Für Christoph von Külmer von der Augsburger Agentur SportBrain ist Linkedln „eine Plattform zur Kundenbindung, auf der man Fachkräfte, Leads und Entscheider angehen kann, natürlich am besten mit entsprechendem Content“. Filme spielen dabei eine zentrale Rolle. Linkedln proklamiert für sich über 63 Millionen Entscheider. Tatsache ist, dass Linkedln fast schon unheimlich wächst: mit derzeit schon über 600 Millionen Nutzer, die vor allem eines verbindet.

Sie repräsentieren die Working-Class. Videolängen spielen dabei eine fast schon untergeordnete Rolle. Es gilt nämlich auch: Die Qualität bestimmt die Dauer. Das wird besonders deutlich auf der mit Sicherheit größten Videoplattform YouTube. YouTube ist ganz nebenher die mittlerweile zweitgrößte Suchmaschine nach Google geworden. Pro Minute werden rund 450 Stunden Material hochgeladen. Wie leicht da doch ein Imagefilm in der Versenkung verschwindet, bevor er überhaupt gesehen wurde. Lassen Sie uns auch hier auf die Längen der Filme gucken, die am erfolgreichsten sind. Das Nummer-1-Video überhaupt ist der Musikclip Despacito mit weit über sechs Milliarden Aufrufen.

Länge: vier Minuten 41 Sekunden. Jetzt mag der Vergleich zu Corporate Videos etwas hinken, aber es gibt doch Learnings. Zum Beispiel, dass Musik ein zentrales Element guter Bewegtbildkommunikation sein sollte. Die typische positive Orchestermusik mag in diesem Fall auch schon ein Anachronismus sein. Aber auch Europas erfolgreichster Imagefilm „Die Mutter aller Imagefilme“ hat eine Länge von über drei Minuten, auch wenn, oder gerade weil, der Film erzählerisch mit dem Stilmittel Parodie einen eigenen Weg gefunden hatte.

Das Gespräch mit Dieter Schweiger hingegen verlief zunächst im reinen Blödel-Modus. Der Obstverkäufer ging von einer reinen Gaudi-Nummer aus und sah sich bemüßigt, möglichst komische Antworten zu geben. Zum Unmut des Interviewers, der sich echte, ehrliche Antworten wünschte. Das Gespräch wurde ernst und damit die Aussagen gut.

Eigene YouTube-Kanäle sind mittlerweile für viele Unternehmen Standard. Aber vieles kann auch hier so viel besser gemacht werden, wie zum Beispiel stärkere Thumbnails (Titelbilder), interessantere Videounterschriften und am Ende auch spezifischeres Marketing für eingesetzte Werbeformen. Das Fazit? Die Länge von Videos bestimmt ihren Inhalt und das Medium, keine Frage. Aber vor allem sollen und dürfen Videos unterhalten, müssen dem Zuschauer einen Mehrwert liefern, seine Aufmerksamkeit verdienen. Und dafür braucht es am Ende immer eine gute Geschichte. Die Gewinner der Delfine bei den Cannes Corporate Awards sind immer sehr unterschiedlich. Eines haben sie jedoch gemeinsam: Superkurz ist da kein einziger.

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